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Schöpfung und Evolution - Katechese

Kardinal Dr. Christoph Schönborn - Katechesen
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Ich, Kardinal Dr. Christoph Schönborn, begrüße sie und möchte sie einladen, meine Katechesen zu lesen.

Katechesen 1999/2000
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. Jahresreihe - 6. Katechese, 20.02.02

Schöpfung und Evolution

Schöpfung und Evolution

Komm, Heiliger Geist, Geist der Wahrheit, Geist der Liebe. Erleuchte unseren Verstand, stärke unseren Willen, wohne in unserem Gedächtnis, damit wir finden zur ganzen Wahrheit, zu Christus, unserem Herrn. Amen!

Ich bin mir bewusst, dass von dem Thema, das in der letzten Katechese behandelt wurde, noch manches offen ist. Ich möchte deshalb in der Katechese am 21. Mai auf dieses Thema zurückkommen und der Frage nachgehen, nicht nur, wie die Kirche zum Judentum steht, wie Judentum und Christentum sich zueinander verhalten, sondern der Frage warum wir glauben, dass es die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche gibt, und was das im Zusammenhang mit dem einen Gottesvolk bedeutet, dem Gottesvolk des Alten und auch des Neuen Bundes. Wie das zusammenhängt, soll wohl noch deutlicher werden. Ich möchte aber die nächste Katechese, auch angesichts der vielen Fragen, die zur Zeit unser Land bewegen, über das Verhältnis Kirche und Staat halten, genauer: die Christen und der Staat. Ein Thema, das immer wieder akut wird, und das uns auch zur Zeit wohl sehr bewegt. "Die Christen und der Staat", das soll das Thema der Katechese am 19. März sein, also am Fest des hl. Josef (schon in der Fastenzeit).
Aber heute greife ich ein Thema auf, das auch in der einen oder anderen Zuschrift als Frage gestellt wurde, das Thema "Schöpfung und Evolution". Zu den beliebtesten Fernsehsendungen gehört offensichtlich die Sendung "Universum". Die Faszination, die von der Schöpfung ausgeht, von den Wundern der Natur, ist unerschöpflich. So sehr, dass es zur Zeit sogar eigene Fernsehkanäle gibt, die nur die Wunder der Natur thematisieren. Woher kommt diese Faszination? Es ist doch offensichtlich hier mehr als nur das Interesse für die streng wissenschaftlichen Zusammenhänge. Es geht hier um etwas Tieferes, etwas, was uns anspricht, weil wir voller Staunen vor dem stehen, was immer mehr entdeckt wird im Innersten der Schöpfung. Vom Geheimnis des Atoms angefangen bis zu den unermesslichen Weiten des Kosmos, die Entwicklung des Lebens von den kleinsten Zellen bis zum hoch entwickelten Leben des Menschen, die Entdeckung des genetischen Codes und der Geheimnisse, die er, sozusagen auf engstem Raum, in seiner Geheimschrift enthält, das Geheimnis der Entfaltung des Lebendigen, die Rätsel der Fortpflanzung. Je weiter die Forschung eindringt in die Geheimnisse der Natur, um so faszinierender wird auch die Frage: Was bedeutet das alles? Was hat es uns zu sagen? Was hat uns vielleicht der Schöpfer durch die Sprache seiner Schöpfung zu sagen?

Dass wir heute so viel Zugang zu den Ergebnissen der Forschung haben, dass sie popularisiert dargeboten werden, ist ein großes Geschenk. Wir haben damit Zugänge, die den Menschen vor uns nicht möglich waren. Und trotzdem stelle ich fest, immer wieder, dass die Frage der Evolution, die Frage, die von naturwissenschaftlicher Seite an den Ursprung des Lebens gestellt wird, für manchen jungen Menschen zu einer Glaubenskrise wird. Das muss nicht immer so sein, das hängt auch sehr davon ab, wie die naturwissenschaftlichen Ergebnisse dargestellt werden. Aber immer wieder begegne ich diesem Phänomen, dass junge Menschen, wenn sie mit diesen Fragen der Evolution konfrontiert werden, so etwas wie eine Glaubenskrise erleben. Ist jetzt Gott der Schöpfer? Sind wir alle nur Evolution? Diese Fragen sind offensichtlich nicht nur rein akademische Fragen, sondern sie rühren sehr tief an unser menschliches Leben selbst, an den Sinn unseres Lebens. So möchte ich heute versuchen, in der kurzen Zeit einer Katechese, ein wenig hineinzuleuchten in diesen Fragenkomplex, der wirklich nicht ganz einfach ist und sicher nicht in so kurzer Zeit auch ausreichend dargestellt werden kann.

Die Rätsel der Natur: Jahrhunderte lang schien die Antwort klar und einfach, Gott hat die Welt geschaffen. Und wie wir in dem ersten Kapitel der Genesis lesen, er hat alle Geschöpfe geschaffen, jedes nach seiner Art. Die unendliche Vielfalt der Schöpfung ist Werk Gottes, jede der Arten ist durch Gottes schöpferisches Wort geschaffen. "Gott sprach und es war", so steht es in der Bibel, so hat es die Menschheit Jahrhunderte lang geglaubt. Und das ist durch die Frage des Zusammenhanges der Arten, der Entstehung der Arten, durch das, was wir die Evolutionstheorie oder Evolutionslehre nennen, in Frage gestellt worden. Die Frage: "Wie sieht denn das Werden der Arten aus?" ist zuerst einmal einfach beschreibend beantwortet worden. Man hat sich in der Naturforschung lange Zeit damit begnügt, zu klassifizieren, ich denke an die wunderbaren Bände von Buffon aus dem 18. Jahrhundert, wo die ganze Vielfalt der Arten auch sehr schön in Stichen dargestellt ist.

Die Revolution in dieser Frage brachte das 1859 erschienene Buch des Engländers Charles Darwin: "Die Entstehung der Arten". Darwin, ein sicher genialer Naturforscher, kommt zur Überzeugung, dass die Arten nicht durch einzelne Schöpfungsakte entstanden sind, sondern durch einen ganz bestimmten Prozess, den der Bauer, der Landwirt, auf seine Art auch kennt, nämlich durch die Zuchtwahl. Im Kampf ums Dasein setzen sich die Stärkeren durch und überleben, die Schwächeren gehen zu Grunde. Freilich, so sagt Darwin, das geschieht nicht durch die Hand des Züchters, der diese oder jene Pflanzenart oder Tierart züchtet, besser entwickelt und sie gegenüber anderen bevorzugt, das geschieht nicht durch eine ordnende Hand, sondern durch zufällige Veränderungen. Durch das Spiel solcher Veränderungen zeigt sich, dass das Eine überlebenstüchtiger ist und das Andere weniger. Und so kommt es zur Evolution, zur Entwicklung, zur Entstehung der Arten, aus einfachen Formen zu immer komplexeren, höheren Formen hin. Charles Darwin, der durchaus ein religiöser Mann war, hat geahnt, dass damit große Umwälzungen verbunden sind, und er hat darunter gelitten, dass sein eigener Glaube dadurch in Mitleidenschaft gezogen wurde. Aber er war als Wissenschaftler so ehrlich, dass er diese Erkenntnis nicht zurückhielt, auch wenn er fürchten musste, dass sie für seinen Glauben, für seine Religion eine Belastung darstellt. Darwin ist also gewissermaßen der Vater dieser großen Umwälzung. Er meinte, man könnte damit nicht nur die Veränderungen innerhalb der Arten erklären, sondern auch über die Artgrenzen hinaus, wie eine aus der anderen entstanden ist, sozusagen eine Genealogie, einen Stammbaum der Arten entwickeln, und er meinte, man werde auf diese Weise auch den Schöpfungsplan herausfinden, das, was der Schöpfer mit seiner Schöpfung geplant hatte.

Es kam dann freilich anders, und jene, die Darwins Ideen vor allem weiter getragen haben, haben sie sehr bald in einen weltanschaulichen Zusammenhang gebracht, der nicht unbedingt der von Darwin selber war, nämlich den Zusammenhang einer materialistischen Weltsicht. Es war das vor allem der Deutsche Ernst Haeckel und seine Schüler, die hier viel radikaler waren als Darwin, und aus der Theorie der Entstehung der Arten eine ganz bewusst antireligiöse, antikirchliche, materialistische Weltsicht entwickelt haben, in der es keinen Schöpfer mehr braucht, in der es keine Schöpfung gibt, sondern nur noch ein mechanistisches Spiel von Zufall und Notwendigkeit. Der Mensch, ja die ganze Schöpfung ist nichts als das Produkt materieller Vorgänge. Karl Marx und Friedrich Engels haben schon gleich am Anfang, als Darwin sein Buch veröffentlichte, erkannt, dass sie hier für ihre materialistische Weltanschauung die naturwissenschaftlichen Unterlagen fanden. Marx sagt ausdrücklich, hier habe man die naturwissenschaftlichen Unterlagen des geschichtlichen Klassenkampfes vorliegen.

Es war sicher kein Zufall, dass die beiden großen Ideologien in unserem Jahrhundert mit all ihren schrecklichen Konsequenzen, der Kommunismus und der Nationalsozialismus, den Darwinismus sozusagen zur wissenschaftlichen Religion, zum wissenschaftlichen Glaubensbekenntnis erhoben. Aber auch im ganz unideologischen Alltag des wissenschaftlichen Lebens hat sich inzwischen die Evolutionstheorie weitgehend durchgesetzt. Sie hat vor allem durch die Einbeziehung der modernen Biologie einen großen Schritt getan, indem die Artenentwicklung zurückgeführt werden konnte auf die Entwicklung, die Mutationen, die Veränderungen an den Chromosomen und an den Genen, also an den Bausteinen des Lebens selbst. Und so wurde daraus der Versuch - man nennt es den Neo-Darwinismus - das Leben selbst, das Entstehen des Lebens selbst, was Darwin noch nicht getan hatte, evolutionär zu deuten. Auch das Leben ist aus diesem evolutiven Prozess, aus dem Spiel von Zufall und Notwendigkeit, von Selektion und Mutation, entstanden. So hat sich die Schule herausgebildet, die man heute den Neo-Darwinismus nennt.

Darüber hinaus hat sich eine Art Selbstverständlichkeit entwickelt, dass man Evolution gewissermaßen als das Grundmuster der ganzen Wirklichkeit versteht. Ich erinnere mich an ein Buch eines österreichischen Physikers, der in den Vereinigten Staaten Professor war, und der ein Buch geschrieben hat: "Die Selbstorganisation des Universums", wo er vom Urknall bis zu Beethovens 9. Symphonie alles evolutiv erklärt. Also nicht nur das Entstehen der Arten, wie es Darwin tat, sondern das Entstehen der Materie selbst, aber auch bis hin zum Entstehen der eigentlich menschlichen Vorgänge des Erkennens, des sittlichen Urteilens und Handelns, ja selbst der Kunst und der Religion. Alles ist Evolution, alles entsteht aus dieser Selbstorganisation der Materie in immer höhere und komplexere Formen. So besteht heute eine gewisse weit verbreitete Tendenz, Evolution als das Grundmuster der Wirklichkeit überhaupt zu verstehen: Alles ist Evolution. Demgegenüber fällt es sehr schwer, das Bestehende, das Bleibende, das in sich Gültige geltend zu machen. Ich werde darauf gleich noch einmal zurückkommen.

Nicht uninteressant, dass man auch versucht, sozusagen entgegenkommend, auch die Religion evolutiv zu deuten: Es ist für die Menschen und die Entwicklung gut, dass es dieses Phänomen der Religion gibt, das schafft gewissermaßen einen Überlebensvorteil. Denn wenn man religiös ist, dann lebt es sich besser, und so kann man, das wird versucht, selbst Religion als ein Entwicklungsphänomen in der Geschichte der Evolution sehen. Und so sieht es fast aus, als wäre der Graben, der im letzten Jahrhundert noch sehr tief war, zwischen Religion und Evolution, zwischen Glaube und Wissenschaft, in dieser Frage inzwischen völlig zugeschüttet. Ich will ihn auch nicht unnötig wieder aufgraben, ich möchte nur ein paar kritische Fragen zum Nachdenken stellen, denn es ist, gerade für eine wissenschaftliche Theorie, wichtig, dass wir kritische Fragen stellen: Genügt es, Religion nur als nützliche Funktion zu verstehen? Ist Religion nicht mehr, als nur, dass sie den Menschen nützt? Aber wir können die Frage weiterstellen: Ist Kunst nur das, was der Mensch sozusagen braucht, um sich in seinen seelischen Bedürfnissen befriedigt zu finden? Ist das Sittliche nur ein Überlebensvorteil oder hat es einen Wert in sich? Ist das Erkennen einfach eine höhere Funktion von tierischer Geschicklichkeit?

Alle diese Fragen werden heute intensiv diskutiert von Philosophen und Theologen. Es ist gut, dass wir heute den Konflikt zwischen Naturwissenschaft und Glauben weitgehend überwunden haben, aber es soll kein vorschnelles Harmonisieren sein. So möchte ich im Folgenden versuchen, ein wenig diese Harmonie zu stören, um einige kritische Fragen zu stellen. Glauben Sie bitte jetzt nicht, dass ich hier jene Haltung verteidigen werde, die es etwa in den USA in manchen Gruppen gibt, die meinen, die Bibel in dem Sinn wörtlich nehmen zu müssen, dass im Jahr 4004 v. Ch. die Welt erschaffen wurde und zwar genau in sechs Tagen. Es gibt solche Versuche, und wir lesen gelegentlich von den Konflikten, die um die Frage Evolutionismus oder Kreationismus in den Vereinigten Staaten zu heftigen Kämpfen bis hin zu Gerichtsurteilen führen. Wir wollen also versuchen, die Frage der Evolution im Blick vom Glauben her und auf den Glauben hin ein wenig kritisch zu beleuchten. Was kann diese Theorie der Evolution zeigen und was kann sie nicht? 

1) Nun, eines ist ganz wichtig vorweg zu sagen, es handelt sich um eine wissenschaftliche Hypothese, sie ist auf dem Markt der heutigen wissenschaftlichen Hypothesen sehr gut ausgewiesen, es spricht vieles für sie, sie hat eine starke Glaubwürdigkeit. Und so ist es nicht verwunderlich, dass Papst Johannes Paul II. 1996 - in einer viel beachteten Rede vor der Vollversammlung der päpstlichen Akademie der Wissenschaften - sich in einer Art und Weise geäußert hat, die ein sehr offenes Verhältnis den Naturwissenschaften gegenüber anzeigt. Ich darf kurz aus dieser Rede zitieren: "Heute geben neue Erkenntnisse dazu Anlass, in der Evolutionstheorie mehr als nur eine Hypothese zu sehen. Es ist in der Tat bemerkenswert, dass diese Theorie nach einer Reihe von Entdeckungen in unterschiedlichen Wissensgebieten immer mehr von der Forschung akzeptiert wurde." Ein solches unbeabsichtigtes und nicht gesteuertes Übereinstimmen von Forschungsergebnissen stellte schon an sich ein bedeutsames Argument zugunsten dieser Theorie dar, so sagt der Heilige Vater in dieser berühmt gewordenen Rede. Es ist eine wissenschaftliche Hypothese, die man heute schon als eine wissenschaftliche Theorie bezeichnen kann.

2) Was für jede wissenschaftliche Hypothese und Theorie gilt, gilt natürlich auch für diese Theorie der Evolution, sie kann in Zukunft durch andere Forschungsergebnisse überholt, erweitert oder in Frage gestellt werden, denn die Wissenschaft ist gewissermaßen nie sicher, sie hat nie endgültige Ergebnisse. Viele Entdeckungen laufen auf die Schlussfolgerungen der Evolutionstheorie hinaus und vieles spricht dafür, dass vieles mit dieser Theorie auch wirklich erklärt werden kann. Und doch müssen wir sagen, ihre Geltung, ihre derzeitige Geltung, ist nicht absolut, keine wissenschaftliche Theorie hat Gültigkeit für immer. 

3) Wenn wir jetzt fragen, was kann diese Theorie eigentlich erklären und was nicht, wie sieht das dann für den Glauben aus? So können wir zuerst einmal sagen, es ist eine Entwicklungslehre, eine Theorie über die Entwicklung der Arten, ja der ganzen Natur. Es ist eine Theorie über die Veränderung von schon Vorhandenem. Es ist nicht eine Lehre über den Ursprung aller Dinge, wie wir es in der Schöpfungslehre gleich nachher noch sehen werden. Sie setzt also voraus, dass es bereits die Wirklichkeit gibt, die Materie. Sie versucht zu deuten, wie sich aus der schon vorhandenen Materie die Arten entwickeln. Und darin liegt etwas, was uns auch im Glauben sehr anspricht und was durchaus auch mit dem biblischen Zeugnis übereinstimmt, nämlich die Überzeugung, dass alles Geschaffene innerlich zusammenhängt. Alle Geschöpfe - so sagen wir im Glauben - sind untereinander verwandt, sie sind miteinander verbunden, sie haben gemeinsam ihr Geschöpfsein, und das wird auch durch diese heute so weithin angenommene Theorie erhärtet. Es mag durchaus sein, dass alles Materielle in dieser Welt einen gemeinsamen Ursprung, eine gemeinsame Wurzel hat, und so unterstreicht diese Theorie die Überzeugung, dass alles Leben, ja alle Wirklichkeit in Verbindung ist. Unser Gespür dafür, dass wir nicht nur mit den Menschen, sondern mit der ganzen Schöpfung sorgsam, behutsam, ehrfurchtsvoll umgehen sollen, bekommt dadurch auch eine Verstärkung. Wenn man also die Frage sucht: "Was beantwortet die Evolutionstheorie?" dann können wir sagen, sie versucht eine Antwort zu geben auf die Frage, wie sich das Leben entwickelt und wie die materielle Wirklichkeit in ihrer Ordnung und Systematik zusammenhängt.

Freilich, es bleiben auch große Fragen offen, und ich möchte drei solche Fragen nennen:

1) Die große Frage ist, wie eigentlich sich diese Theorie vorstellt, dass die einzelnen Arten, die einzelnen Lebewesen, die ja immer ein Ganzes sind, ein lebendiges Ganzes, wie die sich nun tatsächlich auseinander entwickeln sollen. Es gibt dafür verschiedene Theorien in der Evolutionstheorie, die Theorie der Großmutationen, der Fulgurationen - ich brauche darauf nicht im Einzelnen einzugehen. Ich möchte es mit einem handfesten Beispiel verdeutlichen: Wenn man aus einem VW einen Rolls-Royce machen will, indem man ein Stück nach dem anderen umbaut, dann wird einmal der VW nicht mehr funktionieren und es wird noch kein Rolls-Royce sein. Ich weiß, das Beispiel ist etwas banal, aber die Frage ist eine sehr ernste. Lebewesen sind Organismen, sind "Ganzheiten", haben ihre eigene Gestalt. Diese Theorie vermag nicht zu erklären, wie dieser so fundamentale Umbau von einer Art zur anderen entstehen soll. So sagen auch große Gelehrte, es gebe bis heute nicht einen einzigen wirklichen Nachweis eines Übergangs von einer Art zur anderen, es bleibt eine Hypothese, eine wahrscheinliche, aber noch nicht erwiesene.

2) Ein zweiter Einwand ist für mich noch viel gewichtiger. Es gibt in der Tiefsee Arten von Lebewesen, von den prachtvollsten Farben und den seltsamsten Gestalten, die nie von einem Menschenauge, aber auch nicht von den anderen Lebewesen, von den Lebewesen der Tiefe wahrgenommen werden können, weil gar kein Licht in der Tiefe vorhanden ist. Wie will man die Pracht, die Buntheit, die Gestaltvielfalt der Schöpfung funktional erklären, aus reiner Zweckmäßigkeit? Schon Darwin ist an diesem Rätsel immer wieder angestoßen und hat darauf keine Antwort gewusst. Anders gesagt, es lässt sich nicht alles in der Natur nur durch Zweckmäßigkeit erklären, nur durch Brauchbarkeit fürs Überleben. Es gibt so vieles in der Natur, was ganz und gar zwecklos ist, aber wunderbar und wunderschön. Gerade das interessiert uns oft, wenn wir in Sendungen wie Universum die Pracht der Natur vor Augen geführt bekommen. Ein großer Naturforscher, Joachim Illies, hat einmal geschrieben: "Die Schönheit eines Schmetterlings, der Gesang eines Vogels, der Duft einer Blume sind nicht hinreichend mit Zufallsmutation und Selektion des Tüchtigsten zu erklären, zumal das Schöne oft gerade nicht das Tüchtigste, sondern eher das Schwache ist." Ein Rätsel, das diese Theorie nicht erklären kann. Und doch, wie wichtig ist es, dass das Lebendige eben nicht nur funktional, sondern auch schön ist.

3) Und ein drittes Argument: Die Evolution sieht alles als Fluss, alles ist im Übergang, nichts hat wirklich Bestand, alles ist im Werden, es gibt eigentlich kein Sein. Nun ist jedes Lebewesen, der Mensch in ganz besonderer Weise, aber auch die Schnecke und der Vogel, jedes Lebewesen zuerst einmal es selber. Mit seiner eigenen Beschaffenheit, seiner Art und, wie der große Naturforscher Adolf Bortmann immer sagte, mit seiner Innerlichkeit. Jedes Lebewesen hat so etwas wie eine Innerlichkeit, die sich nach außen zeigt, die es unverwechselbar macht als es selber, die sich ausdrückt in seiner Gestalt, seiner unverwechselbaren Tätigkeit, in seinem eigenen Sein. Die Evolutionslehre zeigt eines sehr schön: dass alles zusammenhängt - sie zeigt eines zu wenig: dass jedes unverwechselbar eigen ist.

Alles das kann die Evolutionstheorie nicht erfassen, und deshalb gibt es heute eine reiche Fülle von Literatur, die gerade diese Punkte bearbeitet und an der Theorie kritisiert, um sie auch weiter zu entwickeln. Gerade diese Fragen: Warum gibt es das Schöne, das nicht unbedingt Zweckvolle? Warum gibt es den lebendigen Organismus als ein Ganzes, und warum gibt es die Eigenständigkeit, und nicht nur den Fluss der Entwicklung? Alles das bleibt zu wenig beantwortet. Aber gerade das sind Fragen, die uns auch vom Glauben her sehr wichtig sind. Gewiss, die Evolutionslehre hilft uns zu verstehen, wie sich das Leben entwickelt, wie sozusagen der Stammbaum des Lebens aussieht. Aber die Fragen: Wer bin ich? Woher komme ich? Warum bin ich da? Diese tiefste Frage der Metaphysik des menschlichen Denkens: "Warum gibt es etwas und nicht vielmehr nichts?" Und schließlich die Frage: "Wozu ist alles da?" Auf diese Frage kann der Evolutionist höchstens sagen: "Du bist ein flüchtiger Punkt im Strom der Evolution, du bist nicht du, sondern ein Vorübergehendes", oder, wie es der Nobelpreisträger Jacques Monot gesagt hat: "Du bist ein Zigeuner am Rande des Weltalls." Wer bin ich? Woher komme ich? Wohin gehe ich? Was ist der Sinn der Wirklichkeit? Darauf kann die Evolutionstheorie keine Antwort geben. Der Versuch, zu sagen: solche Fragen überhaupt zu stellen sei auch ein Produkt der Evolution, wir seien eben höhere Lebewesen und hätten uns so entwickelt, dass wir so komplizierte Fragen stellen, die sich einfachere Wesen nicht stellen - ich glaube, das wäre zu vordergründig. Denn das Geheimnis des menschlichen Geistes - kann man das wirklich aus der Materie erklären, kann man wirklich aus dem Prozess, dem Ablauf der materiellen Vorgänge erklären, dass es den menschlichen Geist gibt, dass es die Seele gibt? Sagt uns hier nicht in aller Deutlichkeit das Wort Gottes: Im Anfang war das Wort, nicht die Materie, im Anfang war der Logos, der Sinn, im Anfang schuf Gott Himmel und Erde?

Was bedeutet also für uns der Schöpfungsglaube? Muss der in Konkurrenz treten zur Evolutionslehre, ergänzen sie sich? Versuchen wir das ein wenig noch anzusehen. Das erste Wort der Bibel: "Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde", ist etwas, das sich von den meisten Religionen abhebt. Es gibt den Glauben an den absoluten Ursprung von allem in Gott nicht in allen Religionen. In den meisten Religionen und Mythen ist die Schöpfung nur eine Veränderung von dem, was schon da ist. Der biblische Glaube glaubt, dass Gott souverän, absolut, in völliger Freiheit und ohne Voraussetzungen aus dem Nichts alles erschaffen hat. Das ist etwas so Radikales, das gibt es nicht selbstverständlich in allen Religionen. Ich möchte drei Folgerungen aus diesem Schöpfungslauben nennen.

1) Gott ist absolut Schöpfer. Das heißt zuerst: Gott ist souverän, frei. Wenn er erschafft, dann tut er es nicht, weil er es braucht, nicht, weil er sich selber entwickeln müsste oder verwirklichen müsste, so wie wir uns durch unsere Arbeit, unser Werk verwirklichen. Keine Notwendigkeit zwang und nötigte Gott die Welt zu schaffen, er will es, und so tut er es, sein freier Schöpferwille. Dieser Wille hat keinen anderen Grund zu erschaffen als allein seine Liebe. Gerade weil er völlig frei erschaffen hat, ist die Welt nicht das Produkt des Zufalls, sondern der Liebe. Das ist die tiefste Überzeugung des Schöpfungsglaubens, alles existiert aus der Liebe des Schöpfers. Warum gibt es etwas und nicht vielmehr nichts? - Weil Gott die Liebe ist. Das bedeutet vor allem für uns, für den Menschen das, was das II. Vaticanum sagt: Der Mensch ist das Geschöpf, das Gott um seiner selbst willen gewollt hat. Nicht um der Evolution willen, nicht um eines Prozesses willen, in dem der Mensch nur eine Übergangsphase wäre, sondern um seiner selbst Willen. Das heißt aber: die Botschaft des Schöpfungsglaubens ist, du bist um deiner selbst willen gewollt und es ist gut, dass du bist.

2) Ein zweites folgt daraus. Wenn Gott der souverän freie Schöpfer ist, dann hat die ganze Schöpfung ihren Ursprung in seiner Weisheit, in seiner Vernunft. Gott hat diese Welt gewollt, das heißt gedacht. Das hat aber zur Folge, dass diese Welt sozusagen mit der Handschrift Gottes geschrieben ist, mit der Handschrift seiner Vernunft. Die Sprache der Schöpfung kann uns deshalb ansprechen und deshalb fasziniert uns eine Sendung Universum, weil sie uns anspricht in ihrer Schönheit, in ihrer Gutheit, in ihrer Vernünftigkeit. Einstein hat gesagt: "Gott würfelt nicht." Wäre alles Spiel des Zufalls, dann wäre unsere Vernunft blind, sie würde im Dunkeln tappen, wenn sie versucht, etwas von der Wirklichkeit zu verstehen. Nun ist es aber so, dass wir Gottes Werke entschlüsseln können. Seit Jahrhunderten forscht die Menschheit und seit zwei, drei Jahrhunderten in ganz besonders intensiver Weise, um die Sprache des Schöpfers zu entschlüsseln, bis hinein in den genetischen Code, bis hinein in die innersten Bestandteile des Atoms. Weil die Welt in der vernünftigen Sprache des Schöpfers geschrieben ist, kann unsere geschaffene Vernunft sie zwar mühsam, aber doch entschlüsseln. Wäre alles das Spiel von Zufall und Notwendigkeit, dann gäbe es gar nichts zu verstehen. Wir stoßen aber überall auf Sinn, auf Zusammenhänge, auf Funktionen, die wir entziffern können. In der neuen Enzyklika "Fides et ratio" sagt der Heilige Vater das sehr schön: "Ein und derselbe Gott, der die Verstehbarkeit und die Vernünftigkeit der natürlichen Ordnung der Dinge, auf die sich die Wissenschaftler vertrauensvoll stützen, begründet und gewährleistet, ist identisch mit dem Gott, der sich als Vater unseres Herrn Jesus Christus geoffenbart hat." Derselbe Gott, der zu uns durch Jesus spricht, ist auch der Gott, der diese Welt geschaffen hat und der zu uns durch die Schöpfung spricht.

Auch die Evolution können wir nur deshalb entziffern, weil sie in den vernünftigen Buchstaben der Schrift Gottes geschrieben ist. Zweifellos gibt es Evolution, zweifellos gibt es in der Natur die Mechanismen der Evolution, sie machen Sinn, sie sind sinnvoll, wir können sie in ihrem Sinn entdecken, weil sie vom Schöpfer in der Schöpfung eingeschrieben sind. Ich würde es deshalb so sagen: Gott bedient sich auch der Evolution, um das Werk der Schöpfung zu bilden. Aber ich würde hinzufügen: Gott bedient sich nicht nur der Evolution, sie ist ein Element in seinem großen Werk. In dieser Sicht braucht sich der Glaube nicht gegen die Naturwissenschaft abzuschotten. Ich möchte zum Fast-Abschluss (es kommt dann noch ein Text) auf einen ganz großen Text des 2. Vaticanums hinweisen, vielleicht können Sie ihn selber einmal nachlesen, es ist in der Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute, Gaudium et Spes, wo in sehr eindrucksvoller Weise gesprochen wird über das Miteinander und Zueinander von Wissenschaft und Glauben, von Vernunft und Glauben. Ich darf ein paar Abschnitte daraus kurz vorlesen:

"Wenn wir unter Autonomie der irdischen Wirklichkeiten verstehen, dass die geschaffenen Dinge und auch die Gesellschaften ihre eigenen Gesetze und Werte haben, die der Mensch schrittweise erkennen, gebrauchen und gestalten muss, dann ist es durchaus berechtigt, diese Autonomie zu fordern, die Selbständigkeit der weltlichen Wirklichkeit, Wissenschaft und Gesellschaft." Und wir werden auch sehen, wenn wir über die Christen und die Politik sprechen, werden wir wieder auf diesen Text zurückkommen. Das ist nicht nur eine Forderung der Menschen unserer Zeit, sondern entspricht auch dem Willen des Schöpfers. Dazu sagt das Konzil: "Durch ihr Geschaffensein haben alle Wirklichkeiten ihren festen Eigenstand." Gott hat alles nicht nur im Fluss geschaffen, sondern auch, dass es es selber ist, die Dinge in ihrem Eigenstand, in ihrer eigenen Wahrheit, ihrer eigenen Gutheit, ihrer Eigengesetzlichkeit und ihrer eigenen Ordnungen, die der Mensch unter Anerkennung der einzelnen Wissenschaften und Techniken achten muss.
Vorausgesetzt, dass die Forschung in allen Wissensbereichen in einer wirklich wissenschaftlichen Weise und in einer sittlichen Weise vorgeht, wird sie niemals in einen Konflikt mit dem Glauben kommen. Die Wissenschaft, die sauber arbeitet, kommt nie in Konflikt mit dem Glauben. Warum? Weil die Wirklichkeiten des profanen Bereichs und die des Glaubens in dem selben Gott ihren Ursprung haben. Ja, wer bescheiden und ausdauernd die Geheimnisse der Wirklichkeit zu erforschen versucht, wird - auch wenn er sich dessen nicht bewusst ist - von Gott an der Hand geführt, der alle Wirklichkeit trägt und sie in sein Eigensein einsetzt. Gott führt auch den Wissenschaftler, der sauber und ordentlich in seiner Wissenschaft arbeitet. Deshalb sind gewisse Geisteshaltungen, die einst unter den Christen wegen eines unzulänglichen Verständnisses für die berechtigte Autonomie der Wissenschaft vorkamen, zu bedauern. Wenn man sich ängstlich gegen die Wissenschaft abgeschottet hat, dann war das nicht berechtigt. Durch die dadurch entfachten Streitigkeiten und Auseinandersetzungen schuf diese Haltung in der Mentalität vieler die Überzeugung von einem Widerspruch zwischen Glaube und Wissenschaft. Wenn wir aber im Glauben die Eigenständigkeit der Wissenschaft respektieren und umgekehrt die Wissenschaft nicht versucht, alles zu erklären, sondern sozusagen bei ihrem Leisten zu bleiben, dann gibt es keinen Konflikt zwischen Wissenschaft und Glaube.

Vielleicht kann ich zum Abschluss das, was es über Schöpfung und Evolution zu sagen gibt, zusammenfassen in einem Gesang eines Heiligen. Denn auch der trockenste Naturwissenschaftler wird nicht umhinkommen, immer wieder staunend vor der Schönheit und der Geheimnishaftigkeit der Wirklichkeit zu stehen. Der Sonnengesang des hl. Franziskus drückt auch etwas aus, was die Evolutionstheorie uns neu bewusst gemacht hat, nämlich wie tief alle Geschöpfe innerlich zusammenhängen. Was die Evolutionstheorie manchmal ein bisschen zu materialistisch sagt, das sagt Franziskus in sehr bewegender Weise in seinem Sonnengesang. So möchte ich mit drei Strophen aus dem Sonnengesang unsere heutige Katechese abschließen:

Gepriesen seist du, mein Herr, mit all deinen Geschöpfen, zumal dem Herrn, Bruder Sonnenball, denn er ist der Tag und spendet das Licht uns durch sich.

Gepriesen seist du, mein Herr, durch Schwester Mondsichel und die Sterne, am Himmel hast du sie gebildet, hell leuchtend und kostbar und schön. Gepriesen seist du, mein Herr, durch Bruder Wind und durch Luft und Wolken und heiteren Himmel und jegliches Wetter, durch welches du deinen Geschöpfen den Unterhalt gibst. Gepriesen seist du, mein Herr, durch Schwester Wasser, gar nützlich ist es und demütig und kostbar und keusch. Gepriesen seist du, mein Herr, durch Bruder Feuer, durch das du die Nacht erleuchtest; und es ist schön und liebenswürdig und kraftvoll und stark. Gepriesen seist du, mein Herr, durch unsere Schwester, Mutter Erde, die uns ernährt und lenkt und mannigfaltige Frucht hervorbringt und bunte Blumen und Kräuter.
Lobet und preiset meinen Herrn und erweist ihm Dank und dient ihm mit großer Demut.
Amen!

 

 



 

 

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