Religiöses, Kochrezepte, Infos & Fun   www.kirchenweb.at

Benutzerdefinierte Suche

Apostolisch - Katechese

Kardinal Dr. Christoph Schönborn - Katechesen
.

 

Ich, Kardinal Dr. Christoph Schönborn, begrüße sie und möchte sie einladen, meine Katechesen zu lesen.

Katechesen 1997/1998
2
. Jahresreihe - 5. Katechese, 19.04.98

Apostolisch

Apostolisch

Gelobt sei Jesus Christus!

Wir haben heute Abend die 5. Katechese auf dem Weg zum Be- such des Heiligen Vater in unserem Land. Es sind genau zwei Monate bis zu seiner Ankunft in Salzburg am 19. Juni, und das Thema der heutigen Katechese führt uns noch einmal ganz direkt hin zu dem, was speziell der Dienst des Nachfolgers des hl. Petrus ist, aber auch zu dem, was die Kirche überhaupt ist. Es geht um die apostolische Kirche, die vierte der so genannten "Noten" der Kirche oder Begriffe, die die Kirche genau bestimmen: dass sie die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche ist.

Heute Abend, am Abend des weißen Sonntags, sind wir uns bewusst und wir bekennen es im Glauben, dass der Herr mitten unter uns ist, wirklich jetzt bei uns gegenwärtig. Wie Thomas zu ihm gesagt hat und ihn angebetet hat: "Mein Herr und mein Gott!", so beginnen auch wir mit diesem anbetenden Ruf "Mein Herr und mein Gott!". Ja, Herr, wir glauben, dass Du bei uns bist, wir können Dich nicht sehen, wie Thomas Dich gesehen hat. Wir können unsere Hand nicht in Deine Seitenwunde legen, wie Thomas es konnte, aber wir können Dich im Glauben berühren, Dich Deinen Leib, der gegenwärtig ist, den wir empfangen haben, der in Deinen Gliedern, den Gliedern Deines Leibes gegenwärtig ist in Deiner Kirche, besonders in den leidenden Gliedern. Herr, so können wir heute wie die Apostel am Abend des weißen Sonn- tags, heute Abend, Herr, Dich im Glauben berühren, Dich anbeten und Dir unsere Liebe sagen "Mein Herr und mein Gott!"

Die Kirche ist apostolisch. Schlagen wir nach im Katechismus - alle können ihn auswendig, vermute ich, oder zumindest haben sie ihn zu Hause stehen, als Staubfänger oder sogar als Lesebuch. Da steht unter der Nr. 857: "Die Kirche ist apostolisch, weil sie auf die Apostel gegründet ist." Ganz einfach gesagt. Sie ist auf die Apostel gegründet. Was das bedeutet, welche drei Bedeutungen das hat, werden wir dann noch bedenken. Vorerst aber eine Vorbemerkung: In der letzten Zeit heißt es immer wie- der in der öffentlichen Diskussion, die eigentliche Kirchenkrise steht ja noch bevor. Glaubt ja nicht, dass die Kirchenkrise vorbei ist, wenn personelle Schwierigkeiten vielleicht vorbei sind. Glaubt das nur nicht, denn, so kann man immer wieder lesen, die Kirche muss sich einer viel radikaleren Frage stellen, sie muss endlich be- greifen, dass sie die Demokratie nachholen muss. Sie muss sich demokratisieren, um in dieser Zeit zu bestehen. Es fehlt, so wird immer gesagt - fast wie einen Refrain kann man das hören - die entscheidende Modernisierung, die hat sie noch nicht mitgemacht, durchgemacht. Manche sagen sogar, die Kirche sei das letzte totalitäre Regime, die letzte Bastion des Totalitarismus - so wurde mir vor kurzem von jemandem in aller Bestimmtheit und Entschiedenheit gesagt.

Liebe Brüder und Schwestern, ich glaube, wir sind hier tatsächlich in den kommenden Jahren vor einer ganz entscheidenden Herausforderung, und ich glaube, wir müssen uns gemeinsam gut darauf vorbereiten, seelisch, geistlich, geistig, sowohl im Verstehen, mit den Argumenten, aber auch und vor allem mit dem Erfassen im Glauben, mit den Augen des Glaubens, wo- rum es in der Kirche geht. Man kann die Kirche nur mit den Augen des Glaubens verstehen. Sie ist ein Geheimnis, aber ein sichtbares, greifbares und daher auch immer Anstoß erregendes Geheimnis. Warum die Kirche nie eine Demokratie sein wird, warum sie aber auch nie ein totalitäres Regime war und auch nicht ist. Warum sie eine eigene, andere Wirklichkeit ist, darum werden wir uns sehr bewusst bemühen müssen, das zu verstehen, aber auch und vor allem: zu leben. Und dazu vorweg ein kurzes Wort (ich möchte mich nicht zu lange dabei aufhalten): Demokratie heißt, wie es in unserer Verfassung heißt, "alles Recht, alle Macht geht vom Volk aus". Das kann für die Kirche nicht stimmen, denn alles Recht und alle Macht in der Kirche gehen von Christus aus. "Mir", sagt der Auferstandene, "mir ist alle Macht gegeben, im Himmel und auf Erden." Der Heilige Vater erinnert uns immer wieder daran, dass Demokratie nicht einfach heißt, dass wir alles selber bestimmen können, wie manche das meinen, dass der Mensch souverän einfach alles selber bestimmen kann. Mit Mehrheitsbeschlüssen kann man nicht über gut und böse abstimmen. Eine gute demokratische Ordnung setzt voraus, dass es Dinge gibt, die nicht in Frage gestellt werden dürfen, wenn nicht die Gemeinschaft selber sich zerstört (und wir stehen zur Zeit wieder vor so einer Schwelle wie vor über 20 Jahren mit der Frage der Abtreibung im Jahr 1975): selbst wenn die Mehrheit der Bevölkerung für die Freigabe der Euthanasie wäre - was ja leicht geschehen könnte - bleibt die Euthanasie, genauso wie Abtreibung, Mord, das heißt Tötung menschlichen Lebens. Und das ist eben das, was keine Demokratie ändern kann. Sie muss das voraussetzen, sie muss das Sittengesetz voraussetzen und es schützen. Und von daher gesehen, sehen wir sehr klar, dass Demokratie selber gar nicht einfach heißt, dass alle alles bestimmen können, sie ist eine Ordnungsform, wie Menschen miteinander leben können in einer geordneten, geschützten, rechtlich gesicherten Weise, wenn vorausgesetzt wird, dass die Demokratie sich an das Sittengesetz hält.

Auch die Kirche hat ihre Ordnung. Sie hat sie nicht selber erfunden, sie hat sie sich nicht selber gegeben, und sie kann auch nicht einfach frei darüber verfügen. Die Kirche hat eine Ordnung, die sie von Christus bekommen hat, und diese Ordnung nennen wir "apostolische Ordnung". Sie steht nicht einfach zur Disposition, zur freien Verfügung. Die Kirche ist keine Demokratie, sie hat keine demokratische Ordnung, sondern eine apostolische Ordnung. Freilich, hinter der Frage der "Demokratisierung" in der Kirche steht oft ein anderes Unbehagen, die Frage nicht so sehr nach der Verfassung der Kirche, sondern: Dürfen nicht alle in der Kirche doch mitreden und auch mitentscheiden, mitbestimmen: Alles, was alle angeht, sollte auch von allen mit beschlossen wer- den. Und oft das Gefühl, gerade in unserer Zeit, in der so vieles anonym wird in der Gesellschaft, wo so viele Mächte den Menschen beeinflussen, ihn in Zwängen halten - das Gefühl, wenigstens in der Kirche möchte ich mitreden dürfen und mitbestimmen dürfen. Ein gewisses Lebensideal, das man in der Gesellschaft nicht verwirklichen kann, man möchte es wenigstens in der Kirche erreichen.
Ich komme darauf am Schluss noch einmal zurück, eines möchte ich aber sagen: Wer behauptet, die Kirche sei ein totalitäres System, der hat keine Ahnung von dem, was totalitäre Systeme sind. Jeder, der den "Archipel Gulag", die drei Bände von Alexander Solschenizyn gelesen hat über die sowjetischen Lager, der weiß, was Totalitarismus in diesem Jahrhundert heißt, und zu sagen, dass die Kirche ein solches System sei, ist eine schwere Ungerechtigkeit, angesichts der tausenden und aber- tausenden christlichen Märtyrer, aber auch vieler anderer Menschen, die Opfer dieser totalitären Regime waren. Ich wage zu sagen - ich kann das nicht beweisen, ich kann nur sagen, das ist die Erfahrung, die ich selber machen durfte und die viele, viele Menschen machen - es gibt keinen Ort so großer so wunderbarer Freiheit, wie die Kirche. Wenn wir freilich die wahre Freiheit be- denken, die Freiheit, zu der uns Christus freigemacht hat und die sehr wohl etwas zu tun hat mit dem Wort, um das es jetzt geht, das Wort "apostolisch". Die apostolische Kirche. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass wir uns gut informieren, gut argumentieren, wir müssen in dieser Zeit viel bewusster, viel klarer argumentieren lernen über unseren Glauben Rechenschaft zu geben. Ich darf durchaus empfehlen, dass man dazu den Katechismus studiert, er ist ein ganz nützliches Buch (ich glaube, das darf man sagen).

Apostolisch was heißt das? Apostellein, das griechische Wort, heißt "senden". Die Kirche ist nicht demokratisch, sondern apostolisch. Sie entstammt nicht einem Beschluss des Volkes, sondern einer Sendung von Gott ausgehend. Gerade im heutigen Evangelium haben wir’s gehört: "Friede sei mit Euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich Euch." Apostolische Kirche: der Vater sendet den Sohn, der Sohn sendet seine Jünger. Die Kirche entstammt, entspringt dieser Sendung. Wenn wir daran denken, an diesen ganz elementaren Gedanken: die Kirche entstammt, wie alles letztlich, Gott selber. Gott ist der Ursprung von allem, das Ziel von allem. Und wie wir uns nicht selber gemacht haben, so haben wir auch die Kirche nicht gemacht. Wir treten in sie ein, wir finden sie vor, sie geht uns voraus, sie umgibt uns, und wir dürfen in ihr wachsen. Wie wir uns nicht selber geschaffen haben, uns nicht selber das Leben gegeben, so hat die Kirche ihren Vorsprung nicht in unseren Unternehmungen, in unseren Leistungen, sie ist uns zuerst geschenkt: "Mir ist alle Macht im Himmel und auf Erden gegeben. Er ist der Herr und Meister, alles ist in Seiner Hand."

Diese seine Macht hat Jesus Menschen in die Hand gelegt. Er hat sie nicht für sich behalten, sich alleine reserviert, sondern den Aposteln übertragen. Er ist das Risiko eingegangen, Menschen seine Vollmacht zu geben. ER ist im Himmel, "sitzend zur Rech- ten des Vaters", wie wir im Credo sagen, aber er hat hier auf Er- den gewissermaßen eine sichtbare "Bodenstation" des Himmels festgemacht, und in dieser Bodenstation ist er selber am Werk. Er hat in dieser Bodenstation seine Heilszeichen, seine Sakramente stationiert und will, dass sein Werk durch menschliche Gebärden, durch Menschenhände, Menschenworte, Menschenherzen weiter geschieht: das ist der Auftrag der Apostel, die er als seine Nachfolger eingesetzt hat. Er hat also seine Macht, seine Kraft, seine Erlösung Menschen - schwachen Menschen - in die Hand gelegt. Petrus, der ihn verrät - dreimal verrät -, Paulus, der ihn verfolgt hat, und wir alle, die wir nachgefolgt sind als Nachfolger der Apostel, als Diakone, Priester, Bischöfe - auf diese Menschen baut er seine Kirche. Das ist das Geheimnis der apostolischen Kirche: nicht die Apostel haben die Macht, sondern Jesus Christus hat die Macht. Petrus und die anderen Apostel und ihre Nachfolger sind die Verwalter. Es ist ihnen anvertraut, sie sind gewissermaßen die Bevollmächtigten Jesu. Ich habe einen Generalvikar, also einen Generalbevollmächtig- ten, da kann man sich ungefähr vorstellen, Christus hat Petrus zu seinem Generalvikar ernannt. Er ist der "Vicarius Christi". Die Apostel leiten also in der Vollmacht Jesu die Kirche, in Seinem Namen, Er leitet die Kirche durch sie, sie sind Seine Stellvertreter. Wer das nicht versteht, wer das nicht im Glauben berührt (man kann es nur im Glauben berühren), der wird nicht verstehen, warum die Kirche keine Demokratie sein kann.

Aber wie sieht das konkret aus? Wie sieht die Sendung der Apostel aus? Was heißt das: Sendung der Apostel? Jesus hat Gewaltiges in die Hände der Apostel gelegt. Am Osterabend sagt er zu ihnen: "Empfangt den Heiligen Geist. Denen ihr die Sünden nachlasst, denen sind sie nachgelassen", und beim Abendmahl hat er ihnen gesagt: "Tut dies zu meinem Gedächtnis." Eben hat Toni Faber, der Dommoderator, diese Worte gesprochen, ein Mensch, ein Mitchrist hat diese Worte gesprochen "Das ist mein Leib - das ist mein Blut" - und es ist Wirklichkeit: Sein Leib, Sein Blut, gegenwärtig unter uns, gesprochen von einem Menschen, und doch ist es Jesus selbst.

Vor einiger Zeit habe ich eine Mitstudentin aus meiner Psychologie-Studienzeit wieder gesehen, sie ist inzwischen Psychoanalytikerin. Wir haben uns 30 Jahre nicht gesehen, sie hat mir gesagt: "Das ist halt der Unterschied: Ich kann in der Psychoanalyse nie sagen ‘Ego te absolvo!’, ‘Ich spreche dich los!’ ". Sie hat gemeint, wie oft würde sie das brauchen, wie oft ist die Situation, dass die Psychologie das alleine nicht mehr kann, was alleine Gott kann, was er dem Menschen anvertraut hat: "Ich spreche dich los". Und das sprechen einfache, schwache Menschen. Sie werden von Christen gesandt, bevollmächtigt, das in seinem Namen für die Menschen zu tun. Wie ist das möglich? Nur des- halb, weil Christus sicher, garantiert durch ihr Wort wirkt und das, was an ihnen fehlt, ergänzt, ihr Bemühen vollendet, heiligt, und seine Apostel mit seinem Heiligen Geist ausstattet. Nur weil der Bischof, der Priester, der Diakon, die Geweihten, durch das Weihessakrament mit Christus im Heiligen Geist verbunden sind, deshalb ist ihr Priesterdienst möglich, ist das apostolische Amt möglich, trotz unserer Schwachheit. Nun etwas sehr Wichtiges: Es gibt viele Menschen, die viel "g’studierter" sind als die Priester. Es gibt viele, die besser reden können, die besser argumentieren können, vielleicht sogar auch g’scheiter dreinschauen, aber dennoch ist es der Dienst der Apostel in der Vollmacht Christi, in seiner Kraft - etwas anderes als nur Gelehrsamkeit, menschliches Können etc. Morgen kommt mich ein Priesterfreund aus der Schweiz besuchen, dem ich die Primizpredigt halten durfte. Wie er zum Priestertum gekommen ist, ist interessant: Er war berufstätig, Business, war damals in England, ging dort in eine Gebetsgruppe in London, und sie haben gewartet auf einen Priester, ein bekannter Priester hätte am Abend für sie die Messe zelebrieren sollen. Sie haben sich gefreut, ein bekannter Prediger - und er ist nicht gekommen. Sie haben gewartet, gebetet, gewartet - und nach einer Zeit kommt ein unerwarteter Priester, der alle Zeichen eines ein bisschen karikaturalen Priesters hat, der verlegen war, der schräg aus’schaut hat und wirklich eine hilflose Figur. Sie waren menschlich etwas enttäuscht, dass also der da gekommen ist und nicht ein anderer, nicht der Erwartete. Und während der Priester die Messe gefeiert hat, ist meinem Freund plötzlich aufgegangen: "Aber er ist Priester!" Und das war der Moment, wo ihm ins Herz gekommen ist, Priester zu werden; er ist es inzwischen, und sehr gerne.

Das heißt natürlich nicht, dass es egal ist, wie das Gefäß aus- sieht, wie das Gefäß beschaffen ist. Paulus sagt, "Wir tragen diese Herrlichkeit in irdenen Gefäßen". Damit die Apostel, wie Petrus am Pfingsttag, ins Herz treffen konnten, mussten sie selber zuerst ins Herz getroffen worden sein. Damit sie begeistern konnten, mussten sie selber zuerst den Geist des Herrn empfangen haben. Damit sie bezeugen können, nicht nur mit Worten, sondern überzeugend bezeugen können, mussten sie selber von dem Bezeugten ergriffen sein. Wir haben es gestern in der Tageslesung gehört, wie Petrus und Johannes sagen: "Unmöglich können wir schweigen von dem, was wir gesehen und gehört haben." Das bedeutet aber, die von Jesus Gesandten müssen Menschen sein, die von Jesus ergriffen sind, müssen Menschen sein, in denen Jesu Leiden und Jesu Auferstehung lebendig geworden ist. Sie müssen auch ihren alten Menschen gekreuzigt haben, wie Paulus sagt, um auch die Kraft seiner Auferstehung zu bezeugen. Natürlich war es immer der Heilige Geist, der die Herzen geöffnet hat, wenn Petrus oder Paulus gepredigt haben. Aber es war immer auch das Mitwirken des überzeugenden Herzens des Petrus oder des Paulus. Wenn die Menschen dann in Jerusalem fragen: "Brüder, was müssen wir tun, um gerettet zu werden?", dann war es der Heilige Geist, der sie berührt hat, aber auch Petrus selber, der ein Berührter war. Ich glaube, es ist ganz wichtig (ich musste dieser Tage wieder daran erinnern, weil oft dazu falsche Vorstellungen im Umlauf sind): die Priester- weihe, Bischofsweihe, verleiht die Vollmacht im Namen und in der Person Jesu Christi, gültig zu handeln, Sakramente zu Spenden, selbst wenn der Spender, der Priester, der Bischof, der Papst, unwürdig wäre. Und das ist unerlässlich so: Wenn Sie jedes mal sich überlegen müssten, bei der Messe, ist der Priester wirklich heilig genug, um die Worte Christi zu sprechen, hätten wir nie die Gewissheit, seine Sakramente zu empfangen. Wir müssten jedes mal zweifeln, ob ich wirklich in der Beichte die Lossprechung bekommen habe, denn welcher Priester kann sagen: "Ich bin ohne Sünde also kann ich ganz garantiert handeln!" Die Garantie für die Gültigkeit der Sakramente gibt Christus, die Weihe macht uns nicht automatisch heilig. Aber sie macht uns zu Geweihten, durch die und in denen Christus handelt. Die Zeichen der Ehrfurcht vor dem Priester oder dem Bischof gelten nicht so sehr der Person, sondern dem Amt, der Weihe.

Wenn gelegentlich, das geschieht noch, dem Bischof der Ring geküsst wird, dann ist das nicht eine barocke Höflichkeitsform, sondern ein Ausdruck dafür, dass Christus, der ihn geweiht hat, in dem Amts- träger geehrt wird. Aber das heißt auch, dass der Mensch, der die Weihe empfangen hat gewissermaßen hinter dem, was er empfangen hat, "nachkommen" muss. Sonst gilt für ihn das schreckliche Wort Jesu über die Pharisäer, "übertünchte Wände" und "geschmückte Gräber". Der priesterliche Dienst, der apostolische Dienst ist von Christus garantiert. Er sagt: "Das ist mein Leib, das ist mein Blut." Aber der Mensch im Priester, im Bischof, muss wie jeder andere Christ nachkommen, muss gewissermaßen dem, was die Weihe bedeutet, auch im Leben zu entsprechen suchen. Wenn ein Priester heilig gesprochen wird, dann hat er keine anderen Mittel dazu als jeder andere Christ. Man sagt, dass Papst Johannes XXIII bald selig gesprochen wird. Was ist die Heiligkeit von Papst Johannes XXIII, nichts anderes als die Heiligkeit einer kleinen hl. Theresia oder jedes anderen Heiligen: Die Liebe gelebt zu haben, Christus nachgefolgt zu sein. Wenn wir in zwei Monaten plus zwei Tagen, am 21. Juni, so hoffen wir, hier in Wien die Seligsprechung von drei Ordensleuten, drei Ordenschristen, mit dem Heiligen Vater feiern dürfen: Sr. Restituta, Jakob Kern und P. Anton Schwartz: Wie sind die heilig geworden? Nicht anders als jeder andere Christ. Das Geheimnis der apostolischen Fruchtbarkeit des Priesters, des Bischofs ist kein anderes als das der Apostel Jesu selbst. Das heißt, je mehr das, was sie als Vollmacht empfangen haben, auch ihr Leben prägt, desto mehr werden sie auf Schritt und Tritt auch ein Segen sein. So wie wir es vor kurzem von Petrus gehört haben: selbst sein Schatten, wenn er vorbeigegangen ist, hat die Menschen geheilt. Das war gewiss die Macht Christi in ihm, aber es war auch die Verwandlung, die in ihm geschehen ist durch Christus, und die ihn zu einem wirklichen Apostel gemacht hat.

Welche Kraft, welche Ausstrahlung ein gelebtes, christliches Leben haben kann, sehen Sie, wenn Sie sich diese unglaublich schöne Ausstellung im Schottenstift über die "Pieta" von Michelangelo anschauen. Was dieser 25jährige Künstler über das Geheimnis der Erlösung in dieser Pieta zum Ausdruck gebracht hat, das lässt uns ahnen, welche unglaubliche verwandelnde Kraft, welches Leuchten, welche Strahlkraft ein Leben aus dem Glauben hat. Natürlich bei einem ganz großen Künstler.

Was heißt Apostolat? Wie steht es mit dem Apostolat, ist nicht die ganze Kirche apostolisch, sind nicht alle Getauften Apostel, jeder an seinem Platz? Sind wir nicht alle Gesandte Christi? Wenn wir hier nicht ganz genau in der Glaubensperspektive bleiben, dann entsteht leicht der Eindruck der Rivalität, der Konkurrenz, des Konflikts zwischen den Amtsträgern und den Laien. Und dann beginnt man zu reden von "oben" und "unten", von "Amtskirche" und "Wir sind Kirche". Bemühen wir uns ganz entschieden, diese falsche Sicht zu überwinden, gar nicht in sie einzutreten, denn der Glaube zeigt uns eine andere Sicht. Dass wir durch die Taufe, die Firmung zu einem Leib Christ geworden sind, das bedeutet, dass jeder, jeder Getaufte Glied dieses einen Leibes ist, unverwechselbar, unersetzbar.

Keiner kann ohne den anderen sein. Wenn wir den Leib Christi sehen, wenn wir die Kirche als Leib Christi sehen, dann ist es selbstverständlich, dass alle Dienste in diesem Leib apostolisch sind. Nämlich in der einen Sendung der Kirche, die Christus ihr gegeben hat. Dann ist das Entscheidende zu wissen, an welchen Platz in diesem Leib mich Christus hingestellt hat. Wie Edith Stein sagt: "Wo ich ein- gefügt bin in den lebendigen Bau des Domes, dort wo mein Platz ist, ist mein Apostolat." Der eine sorgt sich für Kranke, der andere für Obdachlose, manche reinigen einfach die Kirche und finden das nicht als Demütigung, sondern als Dienst. Ob jetzt einer am Altar steht oder den Dienst der Kirchenreinigung tut, wenn es in Liebe geschieht und wenn es im Bewusstsein geschieht, dass jeder von uns Glied an dem einen Leib Christi ist, dann ist alles Apostolat. Viele beten und sühnen im Stillen, wer- den nie bemerkt, erscheinen nie in der Öffentlichkeit und doch ist ihr Dienst um nichts weniger wichtig als der, der in der Öffentlichkeit geschieht. Alle Dienste sind wichtig, aber alle Dienste sind fruchtbar, wirksam nur in dem Maß, in dem sie von der Liebe getragen sind. Was nützt das Bischofsamt, was nützt das Blumenschmücken in der Kirche, wenn es nicht von Liebe getragen ist. Alle zusammen bilden wir das eine Apostolat der Kirche.

Die alte Sr. Stefana im Dominikanerkloster in der Postgasse, sie war pensionierte Straßenbahnschaffnerin aus der Zeit, als es noch Straßenbahnschaffner gab, sie ist den ganzen Tag mit ihrem Putzlumpen und ihrem Wassereimer durch die langen Gänge des Klosters gezogen und hat geputzt und war immer freundlich. Die alte Sr. Stefana. Ihr Apostolat war sicher in nichts weniger bedeutsam als das des Priors oder eines anderen Paters. Stets ist die Liebe, die vor allem aus der Eucharistie geschöpft wird, die Seele des gesamten Apostolats, heißt es im Konzil. So betrachtet sind viele unserer Diskussionen in der Kirche völlig an der Sache vorbei. Es geht nicht um mehr Demokratie, sondern es geht um ein tieferes, lebendigeres Erkennen dessen, was die Kirche ist.

Papst Paul VI. hat einmal gesagt: "Die Kirche ist das sichtbare Projekt der Liebe Gottes zur Menschheit." Ich möchte heute uns alle aufrufen, wir müssen diese Dimension der Kirche neu erfassen und uns neu erfassen lassen von der Liebe Christi. Das ist die wahre Revolution in der Kirche, die wahre Erneuerung. Wie die Liebe Christi dem Petrus seinen Verrat verziehen hat, so bitten wir Jesus, dass er durch seine Liebe auch uns alle Verhärtungen des Herzens, alle Verletzungen der Liebe vergebe und uns daraus befreie. Dann wird unser Leben wirklich apostolisch werden, ein apostolischer Dienst und die Kirche wird neu aufleuchten und wirksam sein, aus der Kraft dessen, der sie gesendet hat. "Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch."
Die VI. Katechese möchte ich dann ausdrücklich dem Dienst des Petrus widmen, das ist dann schon einen Monat vor dem Papst- besuch. Der Bedeutung des Papstamtes, des Petrusamtes in der Kirche.
Gelobt sei Jesus Christus!

 

 



 

 

.
Startseite - www.kirchenweb.at/schoenborn/
.