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5. Fastensonntag

Das Predigten und Fürbittenbuch - www.kirchenweb.at

1. Lesung: Jes 43, 16-21
2. Lesung: Phil 3, 8-14
Evangelium: Joh 8, 1-11

 

Dass Gott der Herr "einen Weg durchs Meer bahnt, einen Pfad durch das gewaltige Wasser", verweist nicht nur in die Vergangenheit der geschichtlichen Erfahrung, erinnert an den Exodus: Gott sagt noch einmal seinem Volk das Heil zu. Er möchte es heimführen aus dem Babylonischen Exil. Der Auszug aus Ägypten soll wiederholt erfahrbar werden für das Volk Israel.

Die Lesung spricht in Gegenwart, und zeigt so an, dass es hier um eine zeitlos gültige Erfahrung geht: Gott lässt sein Volk nicht allein, er führt auch uns in eine neue Zukunft.

Gott macht etwas Neues, er eröffnet eine neue Zukunft, wohl dadurch, dass er die Wunden der Vergangenheit heilt. "Denkt nicht mehr an das, was früher war, auf das, was vergangen ist, sollt ihr nicht achten". Das heißt nicht, wir sollen die Großtaten Gottes vergessen, wohl aber alles Leid, alle Traurigkeit, und alle Last der Vergangenheit.

Gott führt einen Weg in die Zukunft, er bahnt "einen Weg durchs Meer, einen Pfad durch das ... Wasser, einen Weg ... durch die Steppe und Straßen durch die Wüste." - Die Lesung, die im AT umrahmt ist von den Gottesknechtliedern, verweist schon auf Jesus Christus. Er ist "der Weg und die Wahrheit und das Leben". Diesen Weg sollen wir gehen, damit unser Leben Frucht bringt. - Ja selbst durch die Wüste, durch den Bereich, wo nichts leben kann, durch das Reich des Todes, führt durch ihn nicht nur ein Weg, sondern sogar eine Mehrzahl, ein ganzes Netz von "Straßen". Durch ihn fließen "Ströme von Wasser", wird Wüste zum fruchtbaren Land, Tod zum ewigen Leben. - Jesus ist der Gottesknecht, der Licht in Finsternis bedeutet, der Blinden die Augen öffnet, Gefangene befreit.

Gott schaut nicht auf die Vergangenheit, er führt in eine neue Zukunft. Das bewahrheitet sich in der Vergebung der Sünden.

Paulus hat "alles aufgegeben", hat sich vom "Unrat" losgesagt, um frei zu sein für diese neue Zukunft. Er sagt: "Ich vergesse, was hinter mir liegt, und strecke mich nach dem aus, was vor mir ist." Er sagt sich los vom Vergangenen, von dem, was nicht gut war, hat nur vor Augen eine höhere Berufung, mit Christus vereinigt zu sein.

Im Evangelium eröffnet Jesus einer Frau durch Vergebung eine neue Zukunft. Genauer gesagt: Jesus verurteilt sie nicht. Er schreibt einen Freispruch auf die Erde. Sein Gesetz ist nicht auf Stein geschrieben. Erde kann Frucht bringen, bringt neues Leben hervor. -

Das Evangelium spricht aber nicht nur frei, es spricht auch schuldig alle, die vor der Entscheidung stehen: Soll ich einen Stein werfen oder nicht?

Stellen wir uns vor, wir hätten nun jeder einen Stein in der Hand. - Was sollten wir mit diesem Stein jetzt machen? - Wir könnten darüber nachdenken: Warum gehöre ich zu denen, die keinen Stein werfen? Was veranlasst mich, diesen Stein nicht zu werfen? Wofür möchte ich Gott um Vergebung bitten? - Der Stein könnte direkt zu einer Opfergabe werden, wenn ich ihn vor Jesus niederlege, mit der ehrlichen Bitte um Vergebung.

Sehr aufrichtend und ermutigend ist der Freispruch, in dem Jesus seine Barmherzigkeit zeigt: "Auch ich verurteile dich nicht."

Jesus sagt aber auch, und das wird oft übersehen: "Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!" Erst dadurch eröffnet sich die neue Zukunft, ändert sich im Leben dieser Frau auch etwas sichtbar.

Das Evangelium bleibt eine offene Botschaft, wir hören nicht, ob die Frau wieder sündigt oder nicht mehr. Die Frohe Botschaft schließt so nicht aus die eigene Erfahrung, die wir oft machen, dass wir immer wieder zurückfallen in die alten Sünden und Fehler.

Wie der Herr uns ermahnt, dass wir nicht nur "siebenmal, sondern siebenundsiebzig mal vergeben sollen, so wird er selbst uns sicher 777 mal und noch viel öfter vergeben. - Es gehört aber auch dazu, dass wir diesen Satz von Jesus hören: "Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!"

Amen.


EXKURS: Zur Ausdeutung der Verse Joh 8, 6. 8: Jesus schrieb mit dem Finger auf die Erde:

Es gibt verschiedene Interpretationen, Erklärungsversuche darüber, was die Geste Jesu, mit dem Finger auf die Erde zu schreiben, bedeutet haben mag. Selbst die Schriftgelehrten und Pharisäer scheinen den eigentlichen Sinn dieser Geste nicht verstanden zu haben. Durch die wiederholte Geste ließen sie sich nicht überzeugen, da sie zunächst "hartnäckig weiterfragten", und erst "als sie seine Antwort gehört hatten", gingen sie fort.

Es wird aber daran zu denken sein, dass Zeichenhandlung und Wort Jesu einen Bezug zueinander haben, d. h., dass sie den Schriftgelehrten und Pharisäern zeichenhaft veranschaulichen sollte, daran zu denken, selbst Sünder zu sein, und dass sie auch in Bezug steht zum Freispruch Jesu: "Auch ich verurteile dich nicht."

Ich möchte hier die verschiedensten Möglichkeiten einer Ausdeutung darlegen, und auch selbst beitragen zu den "mancherlei Versuchen, das rätselhafte Verhalten Jesu zu deuten".

A Die Geste Jesu war ohne Bedeutung

1. Dass Jesus in den Sand schreibt, geschieht so nebenbei, ist eine Geste des Nachdenkens, nicht aber des Unbeteiligt seins, oder des Nicht-Eingreifen-Wollens, höchstens in dem Sinn, dass er sich in seinem Nachdenken nicht vom Gerede beeinflussen lassen will. - Das Niederschreiben Jesu wäre eine Art unbewusste "Entlastungshandlung" des nachdenklichen Zuhörens, wie auch wir manchmal beim Telefonieren beginnen, auf der Schreibtischunterlage etwas nieder zu zeichnen. - Jedenfalls denkt sich Jesus hörend in die Situation.

Diese Erklärung allein "befriedigt nicht, weil der Gestus, zweimal genannt, doch einen gewissen Nachdruck empfängt."

B Die Geste Jesu hatte gleichnishafte/bildliche Bedeutung

2. Jesus möchte etwas Bildliches anzeigen, indem er "auf die Erde", bzw. in den Sand, in den Staub, schreibt. Die Geste ist nicht Zeichen des eigenen Nachdenkens, sondern sollte als Zeichenhandlung die Sehenden nachdenklich machen und ihnen bildlich etwas aussagen.

Erde, Staub ist Zeichen für die Vergänglichkeit. Jesus sagt aus: Ihr alle seid Staub, Wesen dieser Erde, und nicht Richter. Im Sinne einer Nichtigkeitserklärung sagt die Geste: Ihr alle seid nicht berechtigt, ein Urteil zu fällen. Gott allein ist Richter. - Die Geste Jesu erinnert an das Wort: "Bedenke Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst."

3. Erde, Staub ist Zeichen für Gottferne, Sünde. Eine Deutung, die anschließt an das Bibelwort: "Alle, die dich verlassen, werden zu Schanden, die von dir sich wenden, werden in den Staub geschrieben; denn sie haben den Herrn verlassen, den Quell lebendigen Wassers."

"Diese Auslegung, die schon von Ambrosius, Augustinus und Hieronymus vorgetragen wurde und in neuerer Zeit von R. Eisler und J. Jeremias befürwortet wird, hat den großen Vorteil, dass man nicht nach besonderen Worten suchen muss, die Jesus niedergeschrieben hätte, setzt allerdings voraus, dass die Anwesenden den Sinn erfassen konnten."

Jesus zeigt die vorgegebene Situation der Gottferne auf. Das Zeichen könnte sich auf die Sünderin beziehen: Diese Frau ist wirklich Sünderin, hat sich von Gott entfernt; kann aber auch den Schriftgelehrten und Pharisäern gelten: Ihr seid sehr fern von Gott in eurem Denken und mit eurer Gerechtigkeit. - In diese Situation der Gottferne spricht Jesus die Gerechtigkeit Gottes.

4. In den Kommentaren nicht angegeben, aber dennoch eine Überlegung wert, ist es, dass Staub und Boden bildlich auch in den Psalmen verwendet wird.

Da heißt die Klage:

"Unsere Seele ist in den Staub hinabgebeugt, unser Leib liegt am Boden. Steh auf und hilf uns! In deiner Huld erlöse uns!"

Somit veranschaulicht das Schreiben in den Sand die Situation der Sünderin, ihren seelischen Zustand, da sie "am Boden zerstört ist". In diese Situation spricht Jesus sein erlösendes Wort. Jesus zeichnet sozusagen eine Diagnose, bevor er seine Heilung zusagt.

Sehr schön ist die Situation der Sünderin, das nicht verurteilende Wort Jesu, aber auch die Weisung nicht mehr zu sündigen, in den Worten des Psalmes 119 enthalten:

"Meine Seele klebt am Boden.
Durch dein Wort belebe mich!
Ich habe dir mein Geschick erzählt, und du erhörtest mich.
Lehre mich deine Gesetze!
Lass mich den Weg begreifen, den deine Befehle mir zeigen,
dann will ich nachsinnen über deine Wunder.
Meine Seele zerfließt vor Kummer.
Richte mich auf durch dein Wort!
Halte mich fern vom Weg der Lüge;
begnade mich mit deiner Weisung!"
Psalm 119 versetzt uns in wunderbarer Weise in die Situation der Sünderin.

5. Das Schreiben in Sand bezeichnet eine Wende vom Gesetz des Mose, das auf Stein geschrieben war, hin zum Gebot der Liebe, zum Gesetz des Herzens, das eben nicht starr und ohne Barmherzigkeit auf Stein geschrieben ist.

Die Schriftgelehrten und Pharisäer berufen sich auf das Gesetz des Mose, Jesus schreibt auf Sand, und setzt sich über die starre Gesetzesanwendung hinweg. Er schreibt anderes vor, gibt ein neues Gesetz: das Gesetz der Liebe.

Jesus ist nicht gekommen, um das Gesetz und die Propheten "aufzuheben, sondern um zu erfüllen", und die Liebe ist "die Erfüllung des Gesetzes", sie "trägt das Böse nicht nach."

Die starre Anwendung des alttestamentlichen Gesetzes hätte der Frau den Tod gebracht, Jesus schreibt in Sand und eröffnet der Frau eine neue Zukunft, neues Leben. - Die Erde bringt Frucht durch das Wasser des Lebens - Jesus Christus.

C Jesus verwies auf bestimmte Worte

6. "Nicht wenige Erklärer denken an bestimmte Worte, die Jesus niedergeschrieben habe." - Ohne gleich an einen bestimmten Wortlaut zu denken, könnte Jesus ganz allgemein auf das verwiesen haben, was in der Schrift niedergeschrieben ist. Bedenkt alles, was in der Schrift niedergeschrieben ist; alles soll in Betracht gezogen werden, nicht nur das eine Gesetz. - Jesus verweist auf die Weite der Schrift, zeigt in einer stummen Geste auf ein noch Mehr des Niedergeschriebenen.

Es wurden schon einige Bibelstellen genannt, die einen Bezug haben könnten zu der stummen Geste Jesu.

7. "Zuletzt hat J. D. M. Derrett vorgeschlagen, die Schrift Jesu auf Ex 23, 1b zu beziehen"

In Ex 23 heißt es: "Du sollst kein bloßes Gerücht aufgreifen. Biete deine Hand nicht dem, der Unrecht hat, indem du als Zeuge auftrittst! Du sollst dich nicht der Mehrheit anschließen, wenn sie im Unrecht ist, und sollst in einem Rechtsverfahren nicht so aussagen, dass du dich der Mehrheit fügst und das Recht beugst."

Dass die Frau "beim Ehebruch ertappt worden war", wäre demnach bloß ein Gerücht gewesen. Der Verweis auf Ex 23 spricht die Frau frei und veranlasst auch die Zeugen, von ihrer Beschuldigung Abstand zu nehmen.

D Jesus schrieb bestimmte Worte nieder

8. "Die fromme Auslegung des Hieronymus ..., dass Jesus die Sünden der Ankläger (Hervorgehoben durch den Zitierenden) und aller Menschen geschrieben habe, sollte man nicht belächeln, da sie nur Anwendung des Schriftwortes Jr 17, 13 ist und illustriert, dass alle Menschen Sünder sind und als solche keinen Bestand haben."

9. Es wäre möglich, dass Jesus einen Freispruch auf die Erde geschrieben hat. Das würde entsprechen dem "Brauch im römischen Prozessverfahren, dass der Vorsitzende zuerst den Urteilsspruch für sich notiert, ehe er ihn verkündigt".

10. Das Gegenteil wäre theoretisch auch möglich und könnte ebenso sinnvoll ausgedeutet werden:

Hätte Jesus einen Schuldspruch niedergeschrieben, wäre dies der Tatbestand: Die Frau ist schuldig. Aber dieser Schuldspruch wird in Sand geschrieben, d. h. er wird ausgelöscht, verwischt, der Schuldspruch hat keinen Bestand, wird vom Wind verweht. Die Verurteilung ist unbeständig, wie die Schrift im Sand wird die Schuld ausgelöscht, vergeben durch das Urteil Jesu.

11. Aus der Diskrepanz niedergeschriebene Schuld - gesprochener Freispruch wird der Absolutheitsanspruch Jesu ersichtlich: Auch wenn diese Frau schuldig ist, "ich verurteile dich nicht." - Es zeigt sich die Absolutheit Jesu dem Gesetz gegenüber: Auch wenn das Gesetz diese Frau schuldig spricht - "Ich aber sage euch".

Ja, weil diese Frau schuldig ist, vergibt Jesus, spricht er sie frei. Er hat die Macht, Sünden zu vergeben, er offenbart angesichts der Sünde seine Vollmacht, Sünden zu vergeben, es sollte ersichtlich werden, "dass der Menschensohn die Vollmacht hat, hier auf der Erde Sünden zu vergeben."

E Jesus schrieb mit dem Finger auf die Erde

12. Nachdem nun 11 Deutungsversuche angeführt sind, wäre noch zu bedenken, was im Kommentar bei Schnackenburg gänzlich übersehen wird: Jesus "schrieb mit dem Finger (Hervorgehoben durch den Zitierenden) auf die Erde", nicht etwa mit einem Hölzchen, Stab, Stock oder Stift.

Kann man die Geste Jesu wie oben angezeigt gleichnishaft/bildlich deuten, so könnte auch der Finger seine Bedeutung haben.

Zeigt sich Jesu Vollmacht in der Vergebung der Sünden, da nur Gott allein Sünden vergeben kann, so wäre es schon ganz interessant, auch hier an den "Finger Gottes" zu denken.

Wir kennen den Finger Gottes in der Segen spendenden Handhaltung bildlich dargestellt. Der Finger Gottes schafft Leben, Lebensraum, der "Finger Gottes" greift ein bei der Befreiung des Volkes Israel, auf die Tafeln der Bundesurkunde hatte das Gesetz "der Finger Gottes geschrieben".

Wir können den "Finger Gottes" tatsächlich auf Jesus beziehen. Er selbst sagt einmal: "Wenn ich ... die Dämonen durch den Finger Gottes austreibe, dann ist doch das Reich Gottes schon zu euch gekommen."

Jesus schreibt mit seinem Finger ein neues Gesetz, er schafft Leben, er spricht frei. In der ganzen Begegnung wird das Reich Gottes offenbar. -

Gottes Finger schreibt in vergängliche Erde, er schreibt Vergebung in Schuld, er schreibt Leben in Tod.

Amen

 

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